Im Rückspiegel: Vor 35 Jahren erblickt der Baby-Benz das Licht der Welt
Seit 1993 gibt es bei Mercedes-Benz offiziell die C-Klasse. Erster Vertreter war vor 35 Jahren aber bereits der Typ 190, der am 8. Dezember 1982 präsentiert wurde und heute als „Baby-Benz“ bekannt ist. Denn die damals als Kompaktklasse bezeichnete Baureihe W 201 erweiterte das Produktprogramm der Stuttgarter um eine vierte Modellfamilie neben den Luxuslimousinen der S-Klasse, den Typen der oberen Mittelklasse (die spätere E-Klasse) und den SL-Sportwagen.
Sein Debüt feierte das Modell mit zwei Vier-Zylinder-Ottomotor-Typen:
190 hieß die zunächst 66 kW / 90 PS starke Vergaser-Variante und 190 E
die Version mit Benzineinspritzung und 90 kW / 122 PS. Weitere Motoren
folgten natürlich. Als „Flüster-Diesel“ wird beispielsweise der 190 D
(53 kW / 72 PS, ab 1983) bekannt, der erste Serien-Personenwagen mit
schalldämmender Triebwerkskapselung.
Bruno Sacco, bis 1999 verantwortlich für das Design bei Mercedes-Benz, mit einem Modell des Mercedes-Benz 190 der Baureihe W 201 (1982–1993). Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Neue Leistung für den Selbstzünder brachte ab 1986 – bis Herbst 1987
allerdings ausschließlich für den amerikanischen Markt – der
Fünfzylinder 190 D 2.5 Turbo mit 90 kW / 122 PS. Für den 122 kW / 166
PS starken 190 E 2.6 meisterten die Ingenieure im selben Jahr die
Herausforderung, den Reihensechszylinder M 103 im Motorraum des W 201 zu
installieren. Mit wegweisender Vier-Ventil-Technik erzielte der 190 E
2.3-16 (136 kW / 185 PS) bereits vor seiner Präsentation im Herbst 1983
sportliche Erfolge: Drei Prototypen stellen auf dem Rundkurs im
süditalienischen Nardò Langstreckenweltrekorde über 25 000 Kilometer, 25
000 Meilen und 50 000 Kilometer mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von
nahezu 250 km/h auf.
Mercedes-Benz 190 im Windkanal (1983). Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Auch bei der Eröffnung des neuen Nürburgrings zeigte der 190 E 2.3-16
seine sportliche Leistungsfähigkeit: 20 Rennfahrer weihten am 12. Mai
1984 mit einem Rennen auf diesem Fahrzeug die neue Rundstrecke ein.
Sieger ist der damals nur Insidern bekannte brasilianische Rennfahrer
Ayrton Senna.
Mercedes-Benz 190 (Baureihe W 201) im Crashtest. Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Das Top-Modell der Baureihe ist schließlich die sportliche
Hochleistungslimousine 190 E 2.5-16 Evolution II mit einer Leistung von
173 kW / 235 PS. Sie stellt auch die Basis der höchst erfolgreichen
Rennsport-Tourenwagen dar, die von 1990 an in der DTM an den Start geht.
Die Triumphe der Marke in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft der
1980er und 1990er Jahre sind eng mit dem W 201 verbunden: Von 1988 bis
1993 werden Rennsport-Tourenwagen auf der Basis dieser Baureihe mit
Werksunterstützung eingesetzt. In dieser Zeit holte Mercedes-Benz zwei
Markenmeisterschaften (1991 und 1992), und Klaus Ludwig wird im 190 E
2.5-16 Evolution II DTM-Meister des Jahres 1992. Dazu kommen vier
Vizetitel und drei dritte Platzierungen.
Mercedes-Benz 190 (1982–1993). Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Zunächst erhält der 190 E 2.3-16 im Jahr 1985 die Homologation für die
Rennen der Gruppen A und N. Mit diesem Typ starten 1986 Privatteams in
der DTM, und Volker Weidler holt auf Anhieb den Vizetitel. Die Saison
1988 markiert dann endgültig den offiziellen Wiedereinstieg von
Mercedes-Benz in den Rennsport. In diesem Jahr wird Roland Asch
DTM-Vizemeister. Ab 1989 startet in der DTM der 190 E 2.5-16 Evolution
Rennsport-Tourenwagen. Vom Jahr 1990 an folgt ihm der 190 E 2.5-16
Evolution II. Und in der Saison 1993 schließlich wird der AMG-Mercedes
190 E Klasse 1 eingesetzt – alle auf Basis des W 201.
Weltrekordfahrt auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke in Nardò/Italien mit dem Mercedes-Benz 190 E 2.3-16 (W 201) vom 11. bis 21. August 1983. Das Fahrzeug stellt insgesamt drei Weltrekorde und neun Klassenrekorde auf. Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Die Mercedes-Benz-Kompaktklasse von 1982 war ein Vorbild in puncto
Fahrzeugsicherheit. Für die passive Sicherheit ist die Verbindung von
Leichtbau mit hoher Crashsicherheit entscheidend. Die Dachkonstruktion
des W 201 mit nach außen gelegten Dachlängsträgern wurde wegen ihres
geringen Gewichts bei überragender Stabilität zum Vorbild weiterer
Mercedes-Benz-Baureihen. Erstmals kam in der Kompaktklasse auch eine
Gabelträgerstruktur mit definierter Verformbarkeit der konischen
Gabelträger aus hochfesten Blechen zum Einsatz – für exzellentes
Crashverhalten insbesondere bei einem versetzten Frontalaufprall.
Mercedes-Benz 190 E 2.5-16 Evolution II. Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Das Design des W 201, für welches Bruno Sacco verantwortlich zeichnet,
setzte ebenfalls Maßstäbe. Mit einem Luftwiderstandsbeiwert von 0,34
hatte der Baby-Benz bei seiner Premiere 1982 die beste Aerodynamik aller
Limousinen der Marke.
Klaus Ludwig gewann im AMG-Mercedes 190 E 2.5-16 Evolution II Rennsport-Tourenwagen die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) des Jahres 1992. Den zweiten und dritten Platz belegen Kurt Thiim und Bernd Schneider, beide ebenfalls im AMG-Mercedes ((DTM-Fahrer von links: Jacques Laffite, Jörg van Ommen, Bernd Schneider, Klaus Ludwig, Kurt Thiim, Roland Asch, Ellen Lohr und Keke Rosberg). Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Die Vorgeschichte des W 201 begann bereits 1973, als Mercedes-Benz
ältere Ideen für ein Fahrzeug unterhalb der beiden etablierten Klassen
aufgriff. Impulse dazu kamen auch aus Nordamerika. Dort wurden die
Anforderungen an einen sparsamen Flottenverbrauch verschärft. Außerdem
war das Interesse für einen kompakten Zweitwagen mit dem Komfort- und
Sicherheitsstandard eines Mercedes-Benz groß.
Im Januar 1974 sagte Chefingenieur Prof. Dr. Hans Scherenberg über das
neue Fahrzeug: „Klar ist [...], dass es sich um einen typischen
Mercedes-Benz handeln muss.“ Scherenberg führt hier unter anderem
Fahrkultur und Sicherheit als prägende Markeneigenschaften auf. Und im
ersten Lastenheft, das wenig später erstellt wird, heißt es, der W 201
solle sich von anderen Fahrzeugen der Mittelklasse „aufgrund der unter
dem Markensymbol vom Kunden erwarteten Eigenschaften bezüglich Qualität,
Sicherheit und Fahrkultur bewusst absetzen“.
Von der Baureihe W 201 wurden bis August 1993 in den Werken Sindelfingen
und Bremen insgesamt 1 879 630 Fahrzeuge produziert. Was folgte, war
der W 202 – besser bekannt als C-Klasse.
Text: ampnet/jri
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