Im Rückspiegel: Vor 50 Jahren startet der „Strich-Acht“
13.01.2018 - Vor genau 50 Jahren stellt Mercedes-Benz in Sindelfingen die völlig neu entwickelten Limousinen der oberen Mittelklasse vor. Sie sind aufgeteilt auf die Baureihen W 115 (Vier- und Fünfzylindermotoren) und W 114 (Sechszylindermotoren). Die Modellreihe aus der Ahnenreihe der E-Klasse überzeugt immer noch mit klarer Formensprache sowie einem gegenüber der Oberklasse eigenständigen Design. Der Erfolg des „Strich-Acht“, wie Fans diese Fahrzeuggeneration nach dem Zusatz „/8“ in der Typenbezeichnung später nennen, ist überwältigend: Erstmals werden mehr als eine Million Exemplare einer Mercedes-Benz Fahrzeugfamilie verkauft.
Die Baureihe löst die 1961 eingeführten „Heckflossen“-Limousinen mit
Vierzylindermotoren (W 110) ab. Unter der neuen Typenbezeichnung
entstehen neben den Limousinen auch Coupés, Limousinen mit langem
Radstand und Fahrgestelle für Sonderaufbauen. Heute ist der
„Strich-Acht“ eine begehrte klassische Baureihenfamilie der Stuttgarter
Marke. Besonders attraktive Exemplare finden sich regelmäßig im Angebot
von All Time Stars, dem Fahrzeugangebot von Mercedes-Benz Classic.
Mercedes-Benz 280 der Baureihe W 114. Die beiden 1972 eingeführten „Strich-Acht“-Topmodelle verfügen über eine Doppelstoßstange vorn und eine bis zum Radausschnitt vorgezogene Heckstoßstange. Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Die Baureihen W 115 und W 114 gleichen sich in den Abmessungen völlig.
Sie sind nur durch Ausstattungsdetails sowie Kühlergrill- und
Stoßstangenvarianten zu unterscheiden. Zur Markteinführung sind die
Dieselmotor-Typen 200 D und 220 D sowie die Modelle 200, 220, 230 und
250 mit Ottomotor erhältlich. In der Folge wird das Programm weiter
ausgebaut.
Die stilistisch und technisch sehr modernen Fahrzeuge stellen eine
kleine Revolution dar. Mercedes-Benz stärkt mit dem „Strich-Acht“ das
Profil dieses Marktsegments, das bei Mercedes-Benz später „E-Klasse“
genannt wird. Die Stuttgarter Marke komplettiert die Baureihenfamilie
noch im selben Jahr um Coupés (Markteinführung im November 1968) und
Limousinen mit langem Radstand (Markteinführung im Dezember 1968). Damit
bietet Mercedes-Benz nun ein umfassendes Portfolio verschiedener
Karosserieformen und Motorisierungen in der eigenständigen oberen
Mittelklasse.
Mercedes-Benz 280 E (1968–1976). Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Schon auf den ersten Blick überzeugt der „Strich-Acht“ von Paul Bracq in
der von Friedrich Geiger geleiteten Stilistik-Abteilung. Dazu kommen
technische Neukonstruktionen wie die hintere Diagonal-Pendelachse. Mit
ihr erreichen die Ingenieure das Ziel, den markentypischen Fahrkomfort
mit verbesserten Fahreigenschaften zu verbinden. So schreibt die
Fachzeitschrift „ auto motor und sport“ im Heft 4/1968 über die Typen
200 (W 115) und 250 (W 114): „Der nasse und vereiste Hockenheimring
bestätigte die auf der Targa-Florio-Strecke gemachten Erfahrungen: Die
Fahrstabilität ist mit der neuen Achse wesentlich verbessert worden“.
Den Gesamteindruck des „Strich-Acht“ bringt die Überschrift des Beitrags
auf den Punkt: „Die wohlkalkulierte Perfektion“ heißt es dort über die
neue obere Mittelklasse von Mercedes-Benz.
Die Entwicklung der neuen Fahrzeuggeneration hatte 1961 begonnen. Prof.
Dr. Fritz Nallinger, Entwicklungsvorstand der damaligen Daimler-Benz AG,
setzt sich von Anfang an dafür ein, den neuen Typ deutlicher als bisher
von den Oberklassefahrzeugen zu unterscheiden. Das bedeutet das
endgültige Ende der Einheitskarosserie, wie bei den „Ponton“- und
„Heckflosse“ -Limousinen umgesetzt. Das Lastenheft sieht ein gegenüber
dem W 110 kompakteres Fahrzeug vor, das jedoch innen den gleichen Raum
bietet. Zudem sollen neue Fahrwerkskonstruktionen die Fahreigenschaften
weiter verbessern. Früh wird entschieden, die Antriebspalette bis zu
Sechszylindermotoren zu erweitern.
Mercedes-Benz 250 (1968–1976). Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Es entsteht eine Limousine mit harmonischen Proportionen, deren Radstand
gegenüber dem Vorgänger um 50 Millimeter auf 2750 Millimeter wächst,
während sich die Gesamtlänge um 55 Millimeter auf 4680 Millimeter
reduziert. Zudem sind die Limousinen 25 Millimeter schmaler und 55
Millimeter niedriger als die kleinen „Heckflossen“. Die Entwicklungen in
der passiven Sicherheit überprüft Mercedes-Benz unter anderem mit 26
Unfallversuchen. Die Crashtests zeigen, dass der „Strich-Acht“ die
damaligen US-Normen für eine Kollision bei 30 Meilen pro Stunde mit
100-prozentiger Überdeckung nicht nur erfüllt, sondern weit übertrifft.
Das Fahrwerk ist gegenüber dem W 110 ebenfalls erheblich
weiterentwickelt. Die beiden Fahrschemel sind über weiche Gummilager mit
der Karosserie verbunden. An der Vorderachse reduzieren
Doppelquerlenker mit gegeneinander verschränkten Drehachsen das
Eintauchen des Vorderwagens bei scharfem Bremsen. Hinten kommt die neu
konstruierte „Diagonal-Pendelachse“ zum Einsatz, eine
Schräglenker-Hinterachse. Sie reduziert Spur- und Sturzveränderungen in
Kurven sowie beim Ein- und Ausfedern. Erstmals in der oberen
Mittelklasse von Mercedes-Benz sind alle vier Räder mit Scheibenbremsen
ausgestattet. Servolenkung und eine hydraulische Niveauregulierung gibt
es optional.
Der zweimillionste Mercedes-Benz seit 1946 ist ein Typ 220 D der „Strich-Acht“-Baureihe W 115. Er läuft am 9. Mai 1968 im Werk Sindelfingen vom Band. Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Die Bezeichnung „Strich-Acht“ für die Modellreihe stammt aber nicht von
Mercedes-Benz. Vielmehr ist sie erst mit einigem Abstand zur Premiere im
Januar 1968 aus dem Sprachgebrauch der Fans entstanden – abgeleitet aus
dem Kürzel „/8“, das die 1968er-Typen im Modellprogramm kennzeichnet.
So wird das Kürzel „Strich-Acht“ in der Folgezeit zur griffigen
Bezeichnung für alle Varianten dieser oberen Mittelklasse. Dazu gehören
auch die Spitzenmotorisierungen 280 und 280 E (1972) sowie der 240 D
3.0, der erste Fünfzylinder-Personenwagen der Welt, der nach der
Modellpflege des Jahres 1973 erscheint.
Nach der Premiere der viertürigen Limousinen im Januar 1968 lässt die
Markteinführung nicht lange auf sich warten. Die viertürige Limousine
mit sechs Fenstern und um 650 Millimeter vergrößertem Radstand wird ab
März 1968 gebaut. Im Unterschied zu den Standard-Limousinen stattet
Mercedes-Benz diese Langversion wegen des veränderten Böschungswinkels
grundsätzlich mit den größeren 15-Zoll-Rädern und entsprechend
angepasster kürzerer Hinterachs-Übersetzung aus. Ab Oktober 1968 folgt
schließlich der Bau des zweitürigen Coupés. Der sportlich-elegante
Zweitürer hat den gleichen Radstand wie die Limousinen, ist allerdings
45 Millimeter niedriger. Die durch Unterdruck verriegelten Rückenlehnen
der Vordersitze werden bei geöffneten Türen automatisch entriegelt und
gewähren so einen guten Zugang zur Sitzbank im Fond. Im Unterschied zur
Limousine ist die hintere Stoßstange seitlich bis an die hinteren
Radausschnitte vorgezogen.
Präsentation der „Neuen Mercedes-Benz Generation“ im Januar 1968 in Sindelfingen. Chefingenieur Hans Scherenberg (links) stellt die neuen Typen 220 D (W 115), 280 S (W 108) und 250 (W 114) vor. Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Der „Strich-Acht“ erweist sich als absolutes Erfolgsmodell: Erstmals
baut Mercedes-Benz mehr als eine Million Limousinen einer
Baureihenfamilie – in Summe 1,8 Millionen. Und von allen
Karosserievarianten zusammen werden sogar mehr als 1,9 Millionen
Exemplare verkauft. Dazu passt, dass der zweimillionste seit 1946
produzierte Mercedes-Benz Personenwagen ebenfalls ein „Strich-Acht“ ist.
Die Limousine des Typs 220 D läuft am 9. Mai 1968 im Werk Sindelfingen
vom Band. Die letzten „Strich-Acht“-Fahrzeuge werden 1976 gebaut, zu
einem Zeitpunkt, als die Produktion der Nachfolgebaureihe W 123 bereits
angelaufen ist.
Heute sind die „Strich-Acht“-Limousinen und -Coupés begehrte Klassiker.
Regelmäßig gehören besonders attraktive Fahrzeuge der Baureihenfamilie
zum Angebot von All Time Stars, dem Fahrzeughandel von Mercedes-Benz
Classic. Das Angebot umfasst Oldtimer und Youngtimer, die in 160 Punkten
geprüft worden sind. Sie kommen mit einem Classic-Data-Gutachten in den
Handel und entsprechen technisch mindestens der Zustandsnote 2. Die
digitale Verkaufsplattform weiß mehr unter
http://www.alltime-stars.com/.
Text: ampnet/Sm
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