Im Rückspiegel: Der Skoda 1203 erschien im Schatten des Prager Frühlings
Skoda 1203? Da kommt auch der eine oder andere Automobilkenner leicht ins Grübeln. Exakt 50 Jahre ist es heute her, dass die Tschechen auf der Maschinenbaumesse in Brünn ihren als Frontlenker konzipierten Kleintransporter erstmals vorstellten. Er begleitete fortan viele Tschechen und Slowaken buchstäblich von der Wiege bis zur Bahre – denn es gab ihn als Krankentransporter ebenso wie als Leichenwagen und in zahllosen Varianten als Mikrobus, Liefer- und Pritschenwagen, Werkstattfahrzeug und vieles mehr.
Bereits in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre startete in Vrchlabí die
Entwicklung eines leichten Nutzfahrzeugs mit fortschrittlicher
selbsttragender Karosserie im praktischen One-Box-Design – doch erst
1968 begann die Produktion. Das Debüt am 14. September 1968 stand im
Schatten der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Armeen von fünf
Staaten des Warschauer Pakts, die am 21. August 1968 als Reaktion auf
die Freiheitsbewegung des „Prager Frühlings“ einmarschiert waren.
Bis dato hatten sich die leichten Nutzfahrzeuge der Marke auf
Ableitungen von Pkw-Modellen beschränkt. Im Skoda-Werk Vrchlabí
entstanden in den späten Fünfzigern die Modelle 1201 und 1202 mit
beschränktem Laderaum und gerigner Nutzlast. Auch ihr Zentralrohrrahmen
galt als nicht mehr zeitgemäß. So begannen die Ingenieure im Frühling
1956 mit der Entwicklung eines modernen Kleintransporters. Vom Anfang an
verfolgten sie ein Frontlenker-Karosseriekonzept, bei dem der Motor auf
Höhe der Vordersitze platziert ist. Der Transporter besitzt also keinen
vorstehenden Motorraum – was heute als One-Box-Design bezeichnet wird.
Dieses Konzept ermöglichte eine optimale Nutzung des umbauten Raums.
Die Karosserie des Skoda 1203 war selbsttragend, kam also ohne den bis
dahin üblichen Rahmen aus. Da für das gesamte Modellprogramm möglichst
viele Gleichteile benutzt werden sollten, erhielt der 1203 zahlreiche
bewährte Komponenten anderer Modelle der Marke. Der 1,2 Liter große
Vierzylinder etwa wurde aus dem 1202 abgeleitet und leistete 49 PS (39
kW). Die Cockpitinstrumente und die Rückleuchten wiederum stammten
unverkennbar vom 1000 MB.
Die Serienfertigung startete am 20. November 1968 im umfassend
modernisierten Werk Vrchlabí, parallel zu dem bis 1973 gebauten
Vorgänger 1202. Zunächst wurde der 1203 ausschließlich als Kastenwagen
ausgeliefert. Bei kompakten Außenmaßen von 4,52 Metern Länge, 1,80
Metern Breite und einer Höhe von 1,90 Meter bot er einen 5,2 Kubikmeter
großen Laderaum. Die erlaubte Nutzlast entsprach mit 950 Kilogramm fast
dem Leergewicht von 1170 Kilogramm. Als Höchstgeschwindigkeit wurden 90
km/h angegeben, der Verbrauch – damals gemessen bei konstanten 60 km/h –
lag bei 11 Litern Benzin auf 100 Kilometer. Eine Blechwand mit
Sichtfenster trennte die zweisitzige Fahrerkabine vom Laderaum. Eine
breite seitliche Schiebetür an der rechten Seite sowie die horizontal
geteilte Heckklappe gaben den Zugang zum Laderaum frei.
Bis zum 31. Dezember entstanden 192 Exemplare Lieferwagen und zusätzlich
drei Mikrobusse mit Rundumverglasung. Später erweiterte Skoda das
Angebot um zahlreiche Versionen vom Pritschenwagen über
Werkstattfahrzeuge bis zum Krankenwagen.
Der Skoda 1203 wurde ausschließlich an den „sozialistischen Sektor“
verkauft, also an staatseigene Unternehmen oder Genossenschaften.
Privatkunden mussten sich gedulden, bis diese Fahrzeuge ausgemustert und
als Gebrauchtwagen angeboten wurden. Der Grund dafür war nicht nur der
Mangel an Fahrzeugen, sondern vor allem deren Nutzfahrzeugcharakter:
Privates Gewerbe war in der sozialistischen Tschechoslowakei
unerwünscht.
Außer für den heimischen Markt und weitere Ostblockländer wurde
Skoda-Transporter auch in Frankreich und Belgien sowie in einigen
exotischen Märkten wie Ägypten angebotent. Zahlreiche Auslandsauftritte
erlebten ab 1971 zwei verlängerte Sonderanfertigungen: Sie dienten als
Renntransporter für die Skoda 100 L, die in der
Tourenwagen-Europameisterschaft starteten.
Nach 69 727 gebauten Fahrzeugen endete die Produktion in Vrchlabí im
Jahr 1981. In den Automobilwerken in Trnava in der Slowakei wurde der
Allround-Transporter mit vielen technischen Optimierungen noch bis in
die zweite Hälfte der 1990er Jahre weitergebaut.
In seiner Heimat gilt der 1203, ähnlich wie die ersten
VW-Bulli-Generationen, als Ikone der Automobil- und Popkultur – und das
nicht nur, weil er fast ein Vierteljahrhundert lang praktisch eine
Monopolstellung auf dem heimischen Nutzfahrzeugmarkt einnahm. Auch dank
vieler „Rollen“ in tschechoslowakischen Film- und Fernsehproduktionen
machte er sich in seiner Heimat unsterblich.
Text: ampnet/jri
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