Exklusiv: Historie und Histörchen (50): Nieten in Chrom und Lack
Großes war mit Kleinen geplant. Der Nano (Zwerg) sollte der Volkswagen Indiens werden. Und am besten natürlich auch ein Dauerbrenner wie der berühmte VW Käfer. Doch dem gut drei Meter kurzen Winzmobil des Herstellers Tata war nur ein sehr kurzes Dasein und nur eine verschwindend niedrige Stückzahl beschieden. Angepriesen für umgerechnet etwa 2000 Euro sollte es Millionen Inder ab Juli 2009 runter vom Motorrad und rein in dieses Auto locken. Möglich wurde der Preis, weil die Lohnkosten im Tata-Werk extrem niedrig waren und es weder irgendeine Sicherheitsausstattung noch Komfortdinge wie Servolenkung oder gar eine Klimaanlage zu bestellen gab.
Doch entgegen der Erwartung, wesentlich gespeist von den optimistischen
Voraussagen vermeintlich allwissender Marktforscher, spielte die
Kundschaft nicht mit. So kam es, dass der Nano keine zehn Jahre nach der
Markteinführung im Sommer 2018 Kurs auf den Autofriedhof nehmen musste.
Die Hauptgründe dafür hätten die Marketingstrategien des Konzerns
vorher wissen können: Dass nämlich solch ein schmalbrüstiges Autochen
(mit 28 oder 38 PS) gerade in der indischen Gesellschaft als
Armutsbeweis angesehen wird.
Die Massen knatterten lieber weiter auf Mopeds oder Kleinmotorrädern
durch die Lande, was zur Folge hatte, dass sich die Nano-Produktion
stetig nach unten entwickelte. Bis zum Absturz 2017. Damals schwankte
sie zwischen 100 bis 1000 Exemplaren pro Monat, was einer
Tagesherstellung von zeitweise nur noch zwei Fahrzeugen entsprach.
Tiefpunkt war schließlich der Oktober 2017 mit nur noch 57 Stück. Kurz
darauf wurden die Blechpressen gestoppt.
Ähnliches widerfuhr auch Tatas Vorbild Volkswagen – allerdings nicht mit
einem Billigheimer, sondern Ende 2001 wollte der damalige VW-Chef
Ferdinand Piëch den Luxuslimousinen-Markt aus den Angeln heben.
Besitzern des relativ biederen VW-Modells Passat sollte endlich ein
Prestige-Aufstieg innerhalb der Wolfsburger Marke ermöglicht werden. Man
hätte sich lediglich den VW Phaeton als neues Rangabzeichen der
gesellschaftlichen Oberschicht zuzulegen brauchen – und schon, so die
Annahme der Strategen, wäre man mithilfe dieses edlen VW-Blechs
plötzlich wer. Mögliche Umsteiger auf die Spitzenmodelle von Mercedes,
BMW oder auch der VW-Tochter Audi sollten mit dem Erwerb eines Phaeton
zur Markentreue animiert werden.
Und um der anvisierten Zielgruppe des Automobils das Gefühl zu geben,
nicht nur einen schnöden fahrbaren Untersatz zu erwerben, sondern ein
ganz exquisites Beförderungsmittel, sollte der an sich simple
Zusammenbau zudem als feinste Handwerkstätigkeit zelebriert werden, der
von außen beigewohnt werden kann: In der eigens für diese Luxus-Kalesche
errichteten gläsernen Manufaktur in Dresden.
Fertigung des Volkswagen Phaeton in der Gläsernen Manufaktur in Dresden. Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen
Entsprechend pompös war das Tamtam, als der Start der Serienproduktion
dieses fahrenden Salons am 11. Dezember 2001 in Sachsens Hauptstadt
gefeiert wurde. Bundeskanzler Gerhard Schröder war eigens angereist.
Selbstverständlich war auch Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf
anwesend. Und natürlich Ferdinand Piëch, der auf einem Stuhl in der
ersten Reihe der proppenvollen Eingangshalle des gläsernen Betriebes
saß. Denn auf dessen Order hin wurde nicht nur das Auto entwickelt,
sondern eben auch jene Show-Fabrik für rund 187 Millionen Euro
errichtet, in der damals die Party stieg.
Vor mehreren hundert Gästen spielte die Staatskapelle Dresden. Ferner
gab es verschiedene Gesangsdarbietungen. Anschließend trat Gerhard
Schröder an das Rednerpult. Er setzte kleine verbale Seitenhiebe indem
er sagte: „Ich war damals im Aufsichtsrat des Unternehmens, als die Idee
(zu dem Auto) entwickelt worden ist und schließlich beschlossen wurde.
Ich habe zu denen gehört, die von der Konzeption überzeugt worden sind,
und das hat sich auch nicht geändert. Wer die Überzeugungskraft von Dr.
Piëch – jedenfalls auf diesem Gebiet – kennt, der weiß, wie so etwas
geht. Für ihn ist Teamwork eben, wenn alle das tun, was er will. Das
betrifft auch den Aufsichtsrat.“ Daraufhin war leichte Erheiterung im
Publikum zu vernehmen. Nur einer starrte ohne erkennbare Mimik auf den
Laudator Schröder: Ferdinand Piëch.
Wer sich gut 17 Jahre später die Nase an den großen Fensterflächen der
gläsernen Manufaktur platt drückt, um zu erleben, wie solch ein
Luxusschlitten von Hand sorgsam zusammengebaut wird, sieht nur einen
vergleichsweise biederen Golf – denn seit März 2016 ist die Produktion
des Phaeton eingestellt. Stattdessen wird in dem einstigen Renommierwerk
mit Show-Charakter nun die Elektroversion des Golf zusammengebaut.
Dabei sollte der Phaeton, benannt nach einem Sohn des griechischen
Sonnengotts Helios, schnurstracks Kurs auf den Olymp der Autogötter
nehmen. Ein Automobil für die oberen Zehntausend. Eines, dass es mit
Image trächtigem Zwölfzylindermotor genau so gab wie später mit einem
Sechszylinder-Diesel.
Doch der Wagen wurde zur Standuhr, wie schwer verkäufliche Autos in der
Branche genannt werden. Die Absatzerwartung von 20 000 Stück pro Jahr
hat der Fünf-Meter-Lulatsch nie erfüllt. Laut Geschäftsbericht wurden
2011 die meisten Phaeton hergestellt: 11 166 Stück. Danach kam der
Absturz: 2014 lag die Produktion nur noch bei rund 4000 Autos.
Spätestens in der Zeit wurde den Verantwortlichen klar, dass mit dem
Phaeton kein Staat zu machen war.
So hochwertig das Auto gewesen ist, die Erkenntnis war bitter, dass der
auch auf Prestige achtende typische Firmenboss halt keinen Volkswagen
fährt – bis auf die Volkswagenvorstände selbstverständlich. Analysten
schätzten bereits Anfang 2015, dass VW pro Wagen 28 000 Euro zubuttern
musste. Zuletzt kostete der Luxusschlitten mindestens 89 650 Euro – ohne
Sonderausstattung. Nur rund 84 000 Phaeton wurden in 15 Jahren Bauzeit
hergestellt. Unterm Strich ein gigantischer Flop, der den Konzern mehr
als zwei Milliarden Euro gekostet haben dürfte.
Nur ein kleines Marktsegment zu erobern wie VW wäre General Motors (GM)
mehr als 50 Jahre vor dem Phaeton viel zu wenig gewesen. Die Manager
hatten weit Größeres im Sinn, als 1958 im Waldorf Astoria Hotel in New
York mordsmäßig auf dicke Hose gemacht wurde. Es sollte nicht weniger
als der gesamte Autobau revolutioniert werden. Ein Hauch von Hollywood
umwehte die Szenerie. Gleißende Scheinwerfer, sphärische Klänge und eine
Tanzcombo bildeten den Rahmen für die Präsentation des Firebird III,
einer Art Raumschiff auf Rädern. Es wirkte so, als würde es sogleich zur
nächsten Galaxie starten.
Chefdesigner Harley Earl, als Zwei-Meter-Hüne selbst eine Schau und
zudem in Hollywood geboren, sagte bei der Präsentation: „Das ist das
Auto, mit dem Sie eines Tages zum Astroport fahren werden, wenn Sie
ihren Trip zum Mond antreten.“ Eines mit drei riesigen Leitwerken
hinten, vier weiteren Stummelflügeln drum herum sowie zwei neben
einander angeordneten Plexiglaskuppeln für je einen Reisenden. Unter der
imposanten Hülle steckte eine 225-PS-Gasturbine, anstelle eines
Lenkrads gab es einen Steuerknüppel, mit dem Gas gegeben und gebremst
werden konnte.
Dass der markige Satz des Chefdesigners nicht über den Stellenwert eines
Horoskops hinaus gekommen ist, verwundert nicht weiter. War doch die
Straßenrakete nichts weiter als eine spinnerte Studie oder ein
verrücktes Gedankenspiel mit dem Ziel, die Medien zu füttern. Und viel
zu weit weg von den Bedürfnissen der Autofahrernation USA. Viel später
blieb allerdings ein Rest dieser Vision übrig: 1967 fand der Name
Eingang in das Modell-Universum von GM – als Pontiac Firebird.
In der Geschichte des Autos gab es Unmengen solcher verheißungsvollen
Ankündigungen wie auch die absonderlichsten Kuriositäten. Zum Beispiel
den elektrisch betriebene Nucleon, den Ford ebenfalls 1958 im damals
anbrechenden Atomzeitalter vorstellte – allerdings nur als Modell. Der
geplante Mini-Kernreaktor unter der Haube sollte für etwa 8000 Kilometer
den Antriebsstrom liefern. Was er indes nur lieferte, waren die
beabsichtigten Schlagzeilen. Selbst technikhörige Fans mochten schon
damals nicht recht glauben, dass das geplante Atomauto jemals eine
Chance auf Realisierung haben könnte. Rasch verschwand diese Idee in der
Grabbelkiste der Verrücktheiten.
Abseits solcher Verirrungen fanden allerdings auch ernst gemeinte
Serienmodelle den Weg in die Sackgasse der Unsterblichkeit als technisch
oder wirtschaftliches Missverständnis. Etwa der Peugeot 1007 im Jahr
2005. Das war ein Minivan mit zwei speziellen und von den
Entwicklungskosten her sündhaft teuren Schiebetüren, deren geringer
Platzbedarf beim Öffnen insbesondere in engen Innenstädten segensreich
sein sollte. Das war sicher der Fall.
Doch der angepeilten Kundschaft fehlte der Chic und obendrein war das
Wägelchen mit einem Durchschnittspreis von etwa 14 000 Euro sogar teurer
als ein kleineres Modell der Marke. Peugeot wollte vom Typ 1007 jedes
Jahr 120 000 Stück verkaufen. Doch soviel wurden es gerade in der
gesamten fünfjährigen Bauzeit von Anfang 2005 bis Ende 2009. Der Versuch
Peugeots, dieses Auto zu etablieren, kostete angeblich 1,9 Milliarden
Euro.
Eines der berühmtesten Missverständnisse ist die Schlagzeilen trächtige
Affäre um den Ford Edsel, der im August 1957 auf den Markt kam und schon
bald einen Ehrenplatz auf dem Pannenstreifen der Erinnerung eingenommen
hat. Die Limousine, für 250 Millionen Dollar entwickelt, schaukelte nur
etwas mehr als zwei Jahre über die Highways. Bis zum Produktionsende
1959 fand der Ford lediglich knapp 102 000 Kunden. Das entsprach damals
weniger als einem Prozent aller Autoverkäufe in den USA. Kalkuliert
hatte Ford jedoch mit mindestens 200 000 Stück – pro Jahr.
Die miesen Zahlen lagen auch an der katastrophalen Qualität. So
verfielen manche Edsel bei Kälte in eine merkwürdige Starre. Ursache
waren die bei Minustemperaturen verhärteten Schaltseile im
Automatikgetriebe. Und die wasserbettmäßige Straßenlage war selbst den
Amerikanern zu viel, die an Wabbelfahrwerke gewöhnt waren.
Die Tops und Flops der Automobilgeschichte: Ford Edsel von 1958. Foto: Auto-Medienportal.Net/Huebi (Wikipedia)
Der wesentliche Grund jedoch, weswegen der Edsel zum Ladenhüter und zu
einem Streitobjekt wurde, ist ein anderer. Der mit bis zu 350 PS starkem
Motor lieferbare Muskelmann brannte auf dem Scheiterhaufen der
öffentlichen Moral, weil sein senkrecht stehender Kühlergrill so manche
Frau an eine Vagina erinnerte. Angestachelt von Hausfrauenverbänden
protestierten viele Damen vor Ford-Händlern gegen dieses Auto. Damit war
sehr schnell die Luft aus den Reifen. Am 19. November 1959 beendete
Ford das Leben des Edsel – mit mehr als einer Milliarde Dollar Verlust.
Etwa zur gleichen Zeit machte Carl F. W. Borgward auf der anderen Seite
des Atlantiks in Bremen von sich reden. Er schenkte den Aufsteigern der
Nachkriegszeit die famose Isabella – damit aber auch inkontinente
Automatikgetriebe sowie Einspritzmotoren mit Dampfblasenbildung ab Werk,
was zum Stottern des Motors führte. Auch Borgwards anderes Modell, die
kokette Arabella mit Heckflossen, war qualitätsmäßig leider unter aller
Kanone. Im Volksmund wurde der Wagen „Bananenauto“ genannt, weil es ab
der Auslieferung durch Nachbesserungen erst beim Kunden reifte. Zu
Anfang zerbröselten die Getriebe schneller als die Besitzer das
Regenwasser aus dem Fußraum schöpfen konnten. Die Undichtigkeiten
führten zum Spottnamen „Aquabella“. 1961 kam der Konkurs.
Ob es 1967 die erste Keilform-Limousine NSU Ro 80 war, deren
revolutionärer Wankelmotor zunächst mit seinem turbinenartigen Lauf
faszinierte, der aber andererseits wegen hartnäckigen Ölverlusts öfter
verreckte, oder ob es die VW-Typen 1500 und 1600 TL ab 1961 waren, deren
Besitzer die Macken entweder mit Selbstironie verarbeiten oder den
Spott anderer ertragen mussten. Während sich zum Beispiel
entgegenkommende Ro 80-Fahrer am Steuer mit Handzeichen begrüßten, die
Zahl der Finger stand für die Anzahl der Tauschmotoren, hatten
TL-Besitzer die Häme hinzunehmen, eine „Traurige Lösung“ zu fahren. Das
eigentlich als Aufstiegsmodell vom Käfer gedachte Auto mit
Schwabbelfahrwerk und schlappem Motor zog keinen Hering vom Teller. 1969
kam schließlich das Aus für beide Schrägheck-VW, 1977 das für den
mutigen Wankel-Versuch.
Nicht besser erging es Volkswagen bei einem anderen Versuch, ein
Mittelklassemodell zu etablieren. Es geht um den K 70, der von 1970 bis
1975 vom Band lief. Heute wissen wir, dass aus dem K 70 etwas hätte
werden können. Frontmotor, Wasserkühlung, Frontantrieb, viel Platz – er
konnte alles früher als die anderen Volkswagen. Und das war gleichzeitig
sein Problem. Der K(olbenmotor) 70, ein vom übernommenen Hersteller NSU
ungeliebtes Stiefkind, war bereits so modern, dass er Volkswagen
überforderte, Konstrukteure wie Käufer. Der Wagen hatte es schwer, bei
der klassischen VW-Klientel, die Heckmotor-Fahrzeuge und das typische
Design schätzte, Anklang zu finden. Zudem kratzten Qualitätsmängel am
Lack, die Modellpflege verlief schleppend und halbherzig. Im Mai 1975
schließlich war der Fall K 70 für VW nach nur 211 000 hergestellten
Stück beendet. Auch, weil er trotz modernster Technik sein enormes
Spießer-Image niemals losgeworden ist.
All diese Fälle waren Millionen- oder Milliardengräber. Aber gegen das
Debakel, das sich die Verantwortlichen der GM-Marke Chevrolet mit dem
Modell Corvair Mitte der 60er-Jahre eingebrockt hatten, waren sie
nichts. Vor allem vom Image-Crash her. Der damals noch unbekannte
amerikanische Verbraucheranwalt Ralph Nader hatte in seinem Buch „Unsafe
at any speed“ (Unsicher bei jeder Geschwindigkeit) katastrophale
Schwächen des Corvair aufgedeckt. Obwohl Ingenieure bei der Entwicklung
darauf hingewiesen haben, dass das Heckmotorkonzept zusammen mit der
Billig-Hinterachse eine starke Neigung zum Ausbrechen besitzt, bestanden
die Kostendrücker auf dieser Lösung. Effekt: Es kam zu tausenden
schweren Unfällen.
GM keilte auf sehr eigene Weise auf Mister Naders Enthüllungen zurück.
Der Autoriese ließ den Anwalt beim Einkaufen von Blondinen belagern.
Zweck: Die zumeist knackigen Damen sollten den Mann in der damals
sexuell noch sehr verklemmten US-Gesellschaft moralisch unmöglich
machen. Zu dumm, dass die Absicht der Nummer öffentlich wurde. So bekam
nicht nur das Image von Chevrolet tiefe Beulen, die Firma musste auch
viele Millionen Dollar Schadensersatz an die Kunden zahlen. 1969 wurde
die Corvair-Produktion eingestellt.
Kreative Köpfe schraubten zu allen Zeiten am Automobil solange rum, bis
es den eigenen Touch hatte. Immer in der Hoffnung, daraus eine Serie und
viel Geld machen zu können. Zum Beispiel die Idee, dem Automobil das
Fliegen beizubringen. Der Amerikaner Moulton „Molt“ Taylor war so
jemand. Er stellte 1949 und 1950 drei Versionen seines Aerocar vor.
Geschäftlich und auch sonst bescherten ihm diese Kreuzungen jedoch nur
harte Landungen. Taylor wie auch andere Erfinder, die am fliegenden Auto
rumdokterten, unterschätzten nämlich, dass ihre Geschöpfe immer
Kompromisse waren. Entweder flogen sie schlecht (mit zumeist darauf
folgenden Abstürzen) oder sie fuhren saumäßig. Mithin also keine Chance
auf massenhafte Verbreitung.
Der Berliner Hans Trippel bevorzugte 1960 das Wasser als Medium. Sein
Amphicar, ausgestattet mit zwei kleinen Kunststoffpropellern unter dem
Heck, tuckerte auf vier Rädern in die Fluten eines Sees oder eines
Flusses und wurde dort zum Schiffchen. Das Amphibienauto besaß durchaus
ulkigen Charme. Und wenn es aus dem Wasser an den flachen Strand schwamm
und wieder festen Boden unter die Räder bekam, amüsiertem sich
Passanten angesichts der ungewöhnlichen Szene. Heute noch sorgt die
Kreuzung aus Auto und Boot für Erstaunen, sobald sich bei
Amphicar-Treffen die Meute ins feuchte Element aufmacht. Doch Erfolg war
auch Hans Trippel mit dem 38-PS-Fahrzeug nicht vergönnt. Nach nur drei
Jahren Bauzeit und knapp 3900 hergestellten Stück wurde 1963 der Stöpsel
gezogen.
1964 war es wieder der Autoriese GM, der sich aus heutiger Sicht
Unerhörtes traute und ein Auto für eine spezielle Zielgruppe zeigte: Der
Runabout, der auf der Weltausstellung in New York als kommendes
Hausfrauenauto angepriesen wurde. Das Auto hatte drei Räder. Wobei das
Vordere zum besseren Einparken um 180 Grad gedreht werden konnte. Hinten
hatten die Konstrukteure einen ausfahrbaren Einkaufswagen installiert.
Der Sinn dahinter: Die Hausfrau zieht am Supermarkt den leeren
Einkaufswagen aus dem Heck raus und schiebt ihn später voll wieder rein.
Zuhause kann sie den Einkauf dann bis zum Kühlschrank rollen. Auch wenn
sich damals offenbar niemand über den Macho-Gedanken hinter dem Auto
aufregte, vom Konzept her trug es bereits die Gene eines Flops in sich
und kam nie über den Status eines Einzelstücks hinaus.
Richtige Gurken, in denen niemand gerne gesehen werden möchte und die
tatsächlich in Produktion gingen, gibt es auch in der Neuzeit. Etwa der
erste Fiat Multipla, der 1998 gleich als Designunfall geboren wurde.
Motto: Darin möchte man nicht tot überm Lenkrad hängen. In spöttischen
Kommentaren der Leserschaft von Autoblättern wurde unter anderem
gemutmaßt, dass die außerordentliche Hässlichkeit des Wagens womöglich
einen Vorteil besitzen könnte: ein unfreiwilliger Diebstahlschutz. Nach
heftiger Stilkritik von allen Seiten an der Warze auf Rädern meinte Fiat
vermeintlich selbstbewusst: „Da müssen wir auf dem Weg zum Kultauto
durch.“ Wenig später jedoch wurde das Design des Wagens aufgehübscht.
Im Jahr 2000 veranstalteten die Moderatoren der US-Radiosendung „Car
Talk“ unter ihren Hörern die Wahl des schlechtesten Autos des
Jahrhunderts. Abgestimmt wurde übers Internet. An erster Stelle stand
der Yugo des jugoslawischen Herstellers Zastava. Der Kommentar eines der
Wähler: „Immerhin hatte er eine beheizbare Heckscheibe. So blieben die
Hände beim Anschieben wenigstens warm.“ Der zweite Platz ging an den
Chevrolet Vega, der, so meinte einer, „aus komprimiertem Rost gebaut
worden ist“. Auf Rang drei folgte der Ford Pinto, zu dem sich so
geäußert wurde: „In unserer Straße wurden eines Nachts zwölf Autos
gestohlen, nur der Pinto meines Vaters stand am nächsten Morgen noch
da.“ Hübsch ist auch der Kommentar zum Plymouth Volare, der Siebter
geworden ist: „Die Lenkung war so mies, dass ich mir einen Weg zur
Arbeit suchen musste, auf dem ich nur Rechtskurven zu fahren brauchte.“
Den bislang dreistesten Versuch, mit einem reinen Marketingmanöver der
Kundschaft ein Auto aufzuschwatzen, leistete sich 2011 Aston Martin.
Unter der Bezeichnung „Cygnet“ (kleiner Schwan) wollte das neuerdings an
der Londoner Börse als eigenständige Aktiengesellschaft geführte
Auto-Unternehmen eine Art Einkaufswagen für die Upper Class durchsetzen.
Dabei war der nur 2,99 Meter lange Luxuszwerg nichts weiter als ein
optisch aufgemotzter Toyota iQ. Die Strategie dahinter: Man lasse sich
ein kleines Großserienauto an das Aston-Martin-Werk im englischen Gaydon
liefern, staffiere es innen mit Komplettleder und sonstigen Spielereien
aus, spendiere ihm den typischen Kühler der noblen Sportwagenmarke,
klebe vorne und hinten die Aston-Martin-Logos drauf, lasse aber die
Motorleistung bei zahmen 98 PS und treibe dafür aber den Preis kräftig
in die Höhe. Um genau zu sein: von damals 15 950 Euro für den billigsten
Toyota iQ rauf auf 37 995 Euro für den billigsten, aber elitär
wirkenden kleinen Schwan. Und schon erhält man ein Luxusschlittchen für
die Stadt. Die Spitzenversion stand sogar mit 50 445 Euro in der
Preisliste.
Doch der Plan des damaligen deutschen Aston Martin-Chefs Ulrich Bez ging
krachend in die Hose. 4000 Stück sollten von dem Dritt- oder Viertwagen
abgesetzt werden. Doch nur 593 Stück fanden Platz in den ohnehin
bereits überfüllten Garagen des Geldadels. Sodass dem Schwänlein bereits
2013 die Flügel gestutzt werden mussten.
Text: ampnet/hk
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