Im Rückspiegel: Als Mercedes-Benz das Rotieren lernte
Sportwagenikone und Medienliebling, rollendes Labor für die Entwicklung des Wankelmotors und nicht zuletzt Rekordwagen: Das ist der Mercedes-Benz C 111.
Seine zweite Entwicklungsstufe C 111-II mit der 350 PS (257 kW) starken
Vierscheiben-Ausführung des Rotationskolbenmotors M 950 F (viermal 602
Kubikzentimeter Kammervolumen) wurde auf dem 40. Genfer Automobilsalon
vorgestellt, der heute vor 50 Jahren zu Ende ging. Der 1,12 Meter flache
Flügeltürer besaß eine Karosserie aus glasfaserverstärktem Kunststoff
(GFK), die mit der Rahmenbodenanlage aus Stahlblech verschraubt wurde.
Seine Höchstgeschwindigkeit betrug bis zu 300 km/h.
Mercedes-Benz C 111-II (1970). Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Der C 111-II entstand auf Basis des im Herbst 1969 präsentierten C 111.
Technisch zeichnete er sich insbesondere durch den
Vierscheiben-Wankelmotor aus, einen echten Sportmotor. Die
Designentwicklung unter der Leitung von Bruno Sacco und Josef
Gallitzendörfer begann im Sommer 1969. Unter anderem verbesserte sich
gegenüber dem Vorgänger die Sicht des Fahrers durch Veränderungen an
Kotflügeln, Dach und Heckdeckel. Auch die Aerodynamik wurde optimiert:
Windkanalmessungen ergeben einen gegenüber dem C 111 um acht Prozent
verminderten Luftwiderstand. Das Interieur zeichnete damalige moderne
Ästhetik aus. Der Supersportwagen bot Platz für einen großen und zwei
kleine Koffer des Mercedes-Benz-Koffersatzes.
Mercedes-Benz C 111-II (1970). Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Die damalige Daimler-Benz AG hatte am 20. Mai 1969 beschlossen, dass der
C 111 als „Traumwagen“ vom 11. bis 21. September 1969 auf der
Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main
vorgestellt werden sollte. Nach dem Debüt gastierte der C 111 auf
zahlreichen weiteren Messen und Ausstellungen: dem Automobil-Salon in
Paris, der London Motor Show, dem Turiner Salon, der Jochen-Rindt-Show
in Wien und in Essen sowie zu Beginn des Folgejahrs auf dem
Automobil-Salon und der Chicago Auto Show. In Genf hatte dann im März
1970 die weiterentwickelte Version C 111-II Premiere.
Mercedes-Benz C 111-II (1970). Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Zahlungskräftige Sportwagenfans waren sofort bereit, hohe Summen für
einen C 111 zu zahlen. Bereits in London 1969 bot ein Automobilliebhaber
bis zu eine halbe Million D-Mark. In den folgenden Monaten trafen sogar
Blankoschecks in Stuttgart ein. Doch Mercedes-Benz betonte, dass das
Experimentalfahrzeug unverkäuflich ist. Ganz am Anfang seiner Karriere
war der spätere C 111 (interne Bezeichnung C 101) ohnehin für eine ganz
andere Zielgruppe bestimmt gewesen: Bereits 1963 dachte man in Stuttgart
über einen Wankelmotor in einem „kleinen, preiswerten Sportwagen“ nach,
der unterhalb des „Pagoden“-SL (W 113) platziert werden sollte. Ende
1968 wurde diese Ausrichtung konkretisiert zum „kleinen sportlichen
Fahrzeug“ ohne ausgeprägten Komfort, das sich auch für den Rallyesport
eignet und „jüngere Leute“ ansprechen sollte.
Mercedes-Benz C 111-II auf dem Genfer Automobilsalon 1970. Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
In Genf war der C 111-II vor 50 Jahren nicht nur als Aufsehen erregendes
Ausstellungsstück zu erleben, sondern auch in Fahrt. Mercedes-Benz
brachte zwei der insgesamt fünf geplanten Experimentalfahrzeuge mit zum
Automobilsalon. Der Versuchswagen mit der internen Nummer 31 war der
erste C 111-II und im Rahmen der Pressevorführung am 10. und 11. März
1970 auf dem Circuit de Monthoux bei Genf bei Demonstrationsfahrten live
zu erleben.
Mercedes-Benz C 111-II auf dem Genfer Automobilsalon 1970. Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Der C 111 war auch das weltweit erste Automobil, das von Grund auf am
Computer konstruiert wurde. Die Ingenieure verwendeten dazu das
Verfahren ESEM (Elastostatik-Element-Methode), eine bei Mercedes-Benz
entwickelte Variante der Finite-Elemente-Methode (FEM). Die
Digitaltechnik ermöglichte auch das Berechnen dynamischer Belastungen.
Bei Mercedes-Benz ging man davon aus, dass so rund vier Monate
Entwicklungszeit eingespart werden. Der hauseigene Dokumentationsfilm
„Das Auto, das aus dem Computer kam“ stellte diesen
Entwicklungsfortschritt vor.
Mercedes-Benz C 111-II: Pressefahrvorführung am 10. und 11. März 1970 auf dem Circuit de Monthoux bei Genf. Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Im Dezember 1970 wurde einem C 111-II statt des Wankelmotors ein
3,5-Liter-V8-Hubkolbenmotor eingebaut. Dieses Fahrzeug befindet sich
heute im Fundus Mercedes-Benz Classic und wird immer wieder einmal bei
Oldtimer-Veranstaltungen vorgeführt. Ein anderes Einzelstück der
unternehmenseigenen Fahrzeugsammlung ist ein C 111-II aus dem Jahr 1975:
Seine Bodengruppe besteht aus einem Sandwich aus zwei nur wenige
Millimeter dicken, glasfaserverstärkten Kunstharzschalen, die mit einer
Polyurethan-Ausschäumung zu einem Kernverbund verschweißt sind.
Mercedes-Benz C 111 (von links): die erste Version von 1969, die in Genf präsentierte zweite Version von 1970 und das Erprobungsfahrzeug „Hobel“. Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Der C 111-II zeigte gegenüber seinem Vorgänger einige komfortable
Details. Dafür setzte sich insbesondere Rudolf Uhlenhaut ein, Leiter der
Mercedes-Benz Personenwagen-Entwicklung. Zusätzlich zum regulären
Kofferraum wurden beispielsweise die Unterbringung eines Gepäckstücks
auf dem Heckdeckel mit Spanngurten sowie der Skitransport vorgesehen.
Uhlenhaut ließ den C 111-II auch einer praxisnahen „Butterprobe“
unterziehen: Dabei wurde während einer sportlichen Fahrt getestet, ob
ein Päckchen Butter im Kofferraum – trotz dessen Isolierung gegen die
Wärme des Verbrennungsantriebs – schmolz.
Vier-Scheiben-Wanklelmotor des Mercedes-Benz C 111-II (1970). Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
Heute ist der C 111-II wie auch sein Vorgänger im öffentlichen
Bewusstsein ganz klar mit dem Orangemetallic-Farbton „Weißherbst“
verbunden. Zunächst wurden jedoch Ende der 1960er-Jahre auch eine
Lackierung in „Zinnoberrot“ und ein Dekor mit Rallyestreifen angedacht.
1969 erschien der C 111 zunächst in einem weißen Effektlack und in
Leuchtorange. Bis zur Premiere in Genf vor 50 Jahren setzte sich aber
die Lackierung „Weißherbst“ als typische Farbe durch.
Die Entwicklung des Wankelmotor-Supersportwagens wurde bei Mercedes-Benz
nicht weiter fortgesetzt. Dennoch entstanden auf seiner Basis die
Rekordfahrzeuge C 111-II D (1976), C 111-III (1977) und C 111-IV (1979).
Text: ampnet/jri
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