Ausstellung verlängert: Der Bulli baut die Bundesrepublik mit auf
Ursprünglich ein echter Wolfsburger begründete er den anhaltenden Erfolg von VW-Nutzfahrzeugen aus Hannover: Vor 70 Jahren, am 8. März 1950, ging der Transporter (T1) von Volkswagen im Werk Wolfsburg in Produktion. Bedingt durch das Corona-Virus verlängert das Volkswagen-Automuseum an der Dieselstraße in Wolfsburg die aktuelle Sonderausstellung „Alleskönner. 70 Jahre Bulli-Republik Deutschland“ noch bis zum Jahresende.
70 Jahre Bulli-Republik: Einmillionster T1 (Samba aus dem Jahr 1962). Foto: Auto-Medienportal.Net/Hay
Entworfen von den Ingenieuren der technischen Entwicklung waren noch im
Jahr 1949 vier Vorserien-Exemplare enstanden, die im November des Jahres
der Presse und damit der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Eines davon
kann auf der kleinen Bühne des Automuseums in Augenschein genommen
werden. Beinahe unbekannt geblieben sind die verworfenen Versuche, den
Transporter auf dem unveränderten Fahrgestell des Käfers aufzubauen. Der
T1 „Bulli“ war mit seinen zunächst vier Derivaten (Kastenwagen, Kombi,
Bus und Pritsche) in Deutschland und weltweit derart erfolgreich, dass
bereits nach wenigen Jahren eine neue Fabrik in Hannover-Stöcken
errichtet werden musste.
70 Jahre Bulli-Republik: T1 Bulli aus der Vorserie (1949). Foto: Auto-Medienportal.Net/Hay
Der Export des deutschen Wirtschaftswunder-Mobils hatte noch 1950 in die
USA begonnen – dem Hauptdevisenbringer der jungen Bundesrepublik. Dort
begann auch der Ruhm eines ganz besonderen Sondermodells: Der
„Sieben-/Neunsitzer Typ 241“, heute besser bekannt und begehrt unter dem
Namen „Samba“. Er hatte zwar einen Produktionsanteil von lediglich fünf
Prozent, kam aber besonders gut bei den US-amerikanischen Fahrerinnen
an, die ihn dank seiner lichten Bauweise sehr gerne als praktischen
Zweitwagen der Familie nutzten – gerade in klarer Abgrenzung zu den
häufig fünf Metern langen Straßenkreuzern der damaligen Zeit. Da
überrascht es nicht, dass das zweite Fahrzeug auf der Bühne der
Sonderausstellung – das einmillionste Exemplar – ein „Samba“ ist.
70 Jahre Bulli-Republik: Blick auf die ausgestellte Transportervielfalt der Wirtschaftswunderzeit. Foto: Auto-Medienportal.Net/Hay
Die weiteren Exponate werden durch die vier Themeninseln „Last und
Nutz“, „Vielfalt und Praxis“ sowie „Befördern und Reisen“ und „Kult und
Kasse“ strukturiert. Hinter der letzten verbirgt sich natürlich der Ruhm
des „Bulli“ als dann längst von zweiter oder dritter Hand gebrauchter
und rund um die Welt genutzter „Hippie-Bus“: Von den „Blumenkindern“ in
den USA und Europa per Hand bemalt ging es nicht nur direkt auf die
Strände von Kalifornien, Fehmarn oder Sankt Peter-Ording, sondern für
manche auch auf den Hippie-Trail von Kabul über das Kathmandutal
Richtung Indien nach Goa.
70 Jahre Bulli-Republik: Tempo Matador 50 Tiefpritsche (1951). Foto: Auto-Medienportal.Net/Hay
Besonders interessant an der laufenden Sonderausstellung sind die
zahlreichen Modelle der zeitgenössischen Mitbewerber. Volkswagen war
aber schnell der erfolgreichste und ist als einziges – neben Ford – bis
heute auf dem Markt geblieben. Da gab es zum Beispiel den Tempo
Matador, der 1949 bis 1952 sogar noch mit einem in Wolfsburg zugekauften
VW-Käfer-Motor ausgeliefert wurde. Eingebaut als Mittelmotor unter dem
Fahrersitz ermöglichte er – anders als beim T1, den der Motor im Heck
einschränkte – eine tiefe, durchgehende Ladefläche, in die lediglich die
Radkästen ragten.
70 Jahre Bulli-Republik: DKW Schnelllaster F 89 L (1954). Foto: Auto-Medienportal.Net/Hay
Bemerkenswert ist auch der DKW Schnelllaster F 89 L, der im
ausgestellten Baujahr 1954 über einen Zwei-Zylinder-Zweitakter mit 684
Kubikzentimetern und 22 PS verfügte. Die Besonderheit: Die
Kurzhauben-Bauweise mit dem Motor in der Front des Fahrzeugs erwies sich
für die Transporter-Entwicklung als wegweisend. Heute hat sich das
„One-Box-Design“ – mit der Antriebstechnik lediglich bis zum Fahrerraum
und höchstens noch beim Allradantrieb im Unterboden – auch bei
Volkswagen durchgesetzt.
70 Jahre Bulli-Republik: Ford Taunus Transit FK 1250 Feuerwehr (1963). Foto: Auto-Medienportal.Net/Hay
Aber woher kam dann der Erfolg des T1 „Bulli“, der mit 17 Jahren die
längste Produktionszeit aller Transporter-Generationen besaß? Bis zum
Modellwechsel zum T2 im Jahr 1967 entstanden insgesamt 1.883.913
Einheiten der ersten Bulli-Generation in allen Varianten: 222.758 Stück
in Wolfsburg, weitere 1.579.169 Exemplare ab 1956 in Hannover und eine
weitaus geringere Stückzahl in ausländischen Montagewerken, allen voran
in Brasilien (1957 bis 2002). Neben den reinen Stückzahlen kam der
Erfolg durch die Vielzahl von höchst unterschiedlichen Varianten. Am
meisten gebaut wurde der Kastenwagen (ca. 26 Prozent aller T1), gefolgt
vom Kombi (24 Prozent) und dem Bus (17 Prozent). Selten war der
Pritschenwagen mit Doppelkabine, kurz „Doka“ genannt. Sein Marktanteil
lag ebenfalls – wie der „Samba“ bei lediglich fünf Prozent. Den normalen
Pritschenwagen orderten die Kunden dreimal häufiger, so dass er einen
Marktanteil von fast 17 Prozent errang. Die verbliebenen sechs Prozent
entfielen auf Sondervarianten, wie Camper, Krankenwagen und Fahrzeuge
des Kommunalwesens.
70 Jahre Bulli-Republik: Zeitgenössische Übersicht möglicher Sonderaufbauten des VW T1". Foto: Auto-Medienportal.Net/av
Zu dieser Variantenvielfalt hinzu kam vor allem die Marktmacht von
Volkswagen mit einem dichten Service- und Vertriebsnetz. Der Kontakt mit
einem Händler ermöglichte nicht nur die verschiedenen Derivate, sondern
auch die gewünschten Sonderaufbauten. Dabei führte das direkte
Zusammenspiel der Hersteller dieser so genannten Sonderfahrzeuge mit dem
Vertrieb zu den Zwei-Rechnungen-Fahrzeugen. Der Kunde erhielt ohne
Probleme die erste direkt von Volkswagen für das reine Grundmodell und
die zweite vom Hersteller des gewünschten Aufbaus.
Text: ampnet/av
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