Exklusiv: Historie und Histörchen: Nicht nur Flics stören die Idylle
Stefan Huy wollte den Finger in die Wunde legen. Der WDR-Redakteur und seine Frau Bruni, ebenfalls WDR, hatten mich auf dem Caravan- Salon in Essen (wirklich nicht Düsseldorf) unter Druck gesetzt. Es gebe gar keine Stellplätze für die Wohnmobile. Die Branche lüge die Interessenten doch eiskalt an und locke mit der heilen Welt und Sonnenuntergang. Dabei rufe doch sogar schon das Übernachten am Straßenrand oder auf dem Parkplatz die Polizei auf den Plan.
Es stimmte: Die Rechtslage war klar. Und so richtig gegen den Vorwurf
wehren konnte auch ich als Pressemann der Westfalia-Werke nicht. Gerade mal zwei Wochen vorher hatte mir die Polizei in Monte
Carlo meinen Sven Hedin beschlagnahmen wollen, nur weil wir kurz nach
Sonnenaufgang neben dem menschenleeren Badestrand westlich des Casinos
Frühstück vorbereiteten, während meine Tochter im Mittelmeer plantschte.
Ein Traum, bis Flics diese Idylle zerstörten. Nicole musste triefend
nass einsteigen, und wir verschwanden so schnell, wie die 75 PS es
zuließen.
Stefan und Bruni, die heute in Christchurch (Neuseeland) leben, hatten
damals recht mit ihrem Vorwurf. Meine einzige Chance, eine Diskussion in
den Medien während des Salons zu verhindern, war Zeitgewinn.
Ich bekam vier Wochen Frist eingeräumt. Das passt deswegen gut, weil ich
nach der Messe unbedingt etwas für mich selbst unternehmen musste. Man
sagt, das Fasten fördere die Kreativität. Ich kann das bestätigen, denn
ich brauchte keine vier Wochen, bis auf meiner Reiseschreibmaschine in
der Klinik in Witzenhausen das Konzept entstanden. Stefan und Bruni
waren zufrieden und hielten still. Ich bekam wieder Zeit, aus dem Plan
Wirklichkeit werden zu lassen.
Beim nächsten Salon fanden wir zusammen: Richard Köbberling, mein Freund
und Pressechef bei Volkswagen Nutzfahrzeug und Ludwig Reiner, im
Städtchen Viechtach Verkehrssdirektor („Ich bin koa direckter
Direkter“). So wurde der Bayerische Wald zu unserem Testgelände und die
„Schnitzmühle“ am Ufer des Schwarzen Regen zu unserem Hauptquartier.
Die Grundidee damals war: Wenn uns die Polizei nicht von Straßen und
Parkplätzen verjagen soll, dann müssen wir es eben bei den Privaten
versuchen. Die wollten wir mit ein paar Zahlen und vielen guten
Ratschlägen locken. Nach vielen Diskussionen mit dem Bürgermeister, der
immer noch sauer war, weil ihm der ungenehmigte Kauf eines Unimog für
die Gemeinde fast unter 90 Prozent hätte abstürzen lassen, und viel
Freibier für Bauern und Gastwirte bei Bürgerversammlungen stand der
Plan.
Modell Viechtach: Zwei von mehr als zwei Dutzend Stellplätzen, hier sogar auf Campingplätzen zu Sonderkonditionen. Foto: Auto-Medienportal.Net
Wir lockten beide Seiten. Die Wohnmobilisten mit Stellplätzen und die
Stellplatzbesitzer mit Geld. Wir rechneten vor, dass jedes Wohnmobil pro
Tag in der Gemeinde etwa 100 DM ausgibt, unter anderem für die
Gastronomie. Also entwickelten wir einen kleinen Reiseführer zu den
diversen Lokationen und Lokalen in und um Viechtach und lobten
Stellplätze mit Hilfe von Speisekarten aus.
Dann holten wir uns von Dr. Wolfgang Bouska, damals der Betreuer der
Straßenverkehrsordnung in der bayerischen Staatregierung, die
Genehmigung, unter die Parkplatzschilder bei den teilnehmenden
Viechtachern ein Zusatzschild anbringen zu können. Das zeigte die
Silhouette des damals mit weitem Abstand beliebtesten Wohnmobils, des
Westfalia Joker mit offenem Aufstelldach.
Das Modell Viechtach war geboren, Anfang der 80ger Jahre des vergangenen
Jahrhunderts und mit großer Unterstützung nicht nur der Fachmedien.
Es ist eben alles schon einmal dagewesen.
*
Es ist eben alles schon einmal dagewesen.
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Vor drei Jahren fragte mich ein Vertreter meiner Heimatstadt Stadthagen,
ob ich etwas dagegen hätte, wenn hinter meinem Grundstück ein paar
Wohnmobile parken würden. Wie hätte ich Nein sagen können. Wenn ich
heute aus dem Büro schaue, dann steht dort in diesen Tagen mindestens
ein Dutzend, und nicht die kleinen Joker, die heute California heißen,
sondern Dickschiffe. Und das tagelang mit Campingleben darum herum.
So war das Modell Viechtach allerdings nicht gedacht. Es sollte das
Autowandern in der Region fördern, aber nicht das billige „Dauercampen“
von Senioren in dicken Vollintegrierten. Das Problem muss nun gelöst
werden, wenn das Wohn- oder Reisemobil nicht wieder an seine Grenzen
kommen soll. Hoffentlich reichen die Bemühungen, die der Verband jetzt
auf dem Caravan-Salon in Düsseldorf (nicht in Essen) vorgestellt hat.
Wir haben damals vor fast vierzig Jahren unsere Hausaufgaben gemacht.
Text: ampnet/Sm
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